Harninkontinenz

unkontrollierbarer Harnverlust bei Frauen und Männern

Der ungewollte Harnverlust ist ein vielschichtiges Thema und bedarf einer umfassenden Abklärung. Betroffen sind Frauen und Männer, auch wenn einige Ursachen geschlechtsspezifisch sind und durch die unterschiedliche Anatomie insbesondere in der chirurgischen Behandlung unterschiedliche Verfahren angewandt werden. 
Grundsätzlich wird zwischen einer Dranginkontinenz (Harnverlust verbunden mit befehlsartigem Harndrang) und einer Belastungsinkontinenz (Harnverlust bei körperlicher Belastung wie Husten oder Niesen) unterschieden. Bestehen Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz nebeneinander, spricht man von einer Mischinkontinenz.
Abklärung und Behandlung von Harninkontinenz und Blasenfunktionsstörungen ist seit vielen Jahren einer meiner besonderen Schwerpunkte. Obwohl psychosozial und finanziell sehr belastend, fühlt sich das öffentliche Gesundheitssystem leider in vielerlei Hinsicht nicht adäquat zuständig. Und das, obwohl diese Probleme meistens sehr gut behandelbar sind. Mit etwas Geduld beinahe immer eine befriedigende Lösung finden.

 

Basis der Abklärung ist immer ein ausführliches Gespräch, die körperliche Untersuchung mit Ultraschall der Harnwege, und eine Urinanalyse. Je nach Befundlage und Vorgeschichte können zusätzlich noch Harnflussmessung (Uroflowmetrie), das Führen eines Blasentagebuchs über 48 Stunden, eine Blasenspiegelung, eine exakte Blasenfunktionsmessung mittels Urodynamik oder bei der Frau eine urogynäkologische Untersuchung mit Beckenbodensonographie hinzukommen.

Dranginkontinenz

Die Dranginkontinenz ist gekennzeichnet durch einen häufigen und befehlsartigen Harndrang, der schwer unterdrückbar ist - die Toilette wird nicht rechtzeitig erreicht. Weiter erschwert wird die Problematik durch Mobilitätseinschränkungen im Alter oder körperlichen Gebrechen.

Die Ursachen der Dranginkontinenz sind vielfältig. Hier wird wiederum zwischen einer Dranginkontinenz mit bzw ohne Entleerungsstörung unterschieden.

 

Die Dranginkontinenz mit Entleerungsstörung und unvollständiger Blasenentleerung ist recht rasch erklärt - das Fassungsvermögen der Harnblase ist zwar normal oder sogar gesteigert, kann aber wegen des Restharnvolumens nicht mehr zur Gänze genutzt werden. Die alleinige Behandlung der zugrundeliegenden Ursache reicht üblicherweise aus, um auch die Inkontinenz in den Griff zu bekommen.

Ursachen kann eine Störung des Harnabflusses sein, wie:

  • Harnröhrenenge
  • Prostatavergrößerung (Mann)
  • Blasensenkung (Frau)
  • fehlendes Öffnen des Schließmuskels (vor allem bei neurologischen Erkrankungen)

Eine mangelnde Entleerung kann aber verursacht sein durch eine

  • Lähmung der Harnblase bei Nervenschädigung (neurologische Erkrankungen, chirurgische Eingriffe im kleinen Becken)

 

Einer Harninkontinenz ohne Entleerungsstörung liegen meist folgende Probleme zugrunde liegen:

  • Fremdkörper, Harnsteine oder Tumore in Harnblase oder Harnleitermündung
  • Störungen des Nervensystems (Parkinson, Multiple Sklerose, inkompletter Querschnitt uvm)
  • chronische Entzündungen und Infekte im Urogenitalbereich
  • Hormonmangel im Genitalbereich (Frauen nach den Wechseljahren)

Eine Dranginkontinenz ohne Entleerungsstörung ist, sofern keine behandlungspflichtige bzw behandelbare Ursache gefunden wird, in der Regel sehr erfolgreich behandelbar. Medikamentös stehen Antimuskarinika oder ein Beta-3-Mimetikum zur Verfügung, weiters kann Botulinumtoxin (BoNT-A, Botox®) in die Blasenwand selbst injiziert werden. Auch durch physikalische Therapie (Elektrostimulation der Blase, Stimulation des Nervus tibialis posterior, Verhaltensmaßnahmen) kann eine deutliche Linderung erreicht werden. Eine letzte Möglichkeit bietet die Sakrale Neuromodulation (vulgo "Blasenschrittmacher"), bei dem die Beckennerven über implantierte Sonden stimuliert werden.

 

  

Was in der Praxis relativ einfach klingt, ist in der Realität leider nicht immer gleich so offensichtlich. Perfiderweise kann sich auch eine latente, noch kompensierte Entleerungsstörung durch druckbedingte chronische Reizung der Nervenrezeptoren in der Harnblase als Dranginkontinenz präsentieren. Steht ein solcher Verdacht im Raum oder ist die Klinik insgesamt unklar, empfiehlt sich die Durchführung einer Urodynamik, um Licht in die Angelegenheit zu bringen und eine gezielte Behandlung zu ermöglichen.

 

Belastungsinkontinenz

Eine Belastungsinkontinenz tritt im Laufe der Jahre bei vielen Frauen auf und wird bis zu einem gewissen Grad als "normal" angesehen. Trotzdem gibt es keinen Grund sich damit abfinden zu müssen. Tatsächlich handelt es sich um eines der am meisten unterschätzten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Ursächlich ist vor allem ein Nachlassen des bindegewebigen Halteapparates im kleinen Becken, zahlreiche oder schwere Entbindungen erhöhen das Risiko einer Belastungsinkontinenz.

 

Für leichtere Formen kann ein in Einzeltherapie gezielt angeleitetes Beckenbodentraining, eventuell flankiert durch eine Elektrostimulationstherapie mit Biofeedback, häufig ausreichen. Andernfalls besteht meist die Möglichkeit, mit einem kleinen chirurgischen Eingriff (spannungsfreie suburethrale Schlingenoperationen) für Abhilfe zu sorgen. 

 

Auch komplexe und voroperierte Fälle sind behandelbar, selbst wenn es nach Voroperationen mit synthetischen Schlingen zu gravierenden Komplikationen gekommen ist. In diesem Fall kann eine Schlingenoperation mit körpereigenem ("autologem") Material durchgeführt werden. Diese Operationstechniken aus der Frühzeit der modernen Inkontinenzchirurgie in den 1980er- und 1990er Jahren gerieten durch die Markteinführung synthetischer Schlingen etwas in Vergessenheit, ich konnte sie jedoch bereits mehrmals mit Erfolg bei hoffnungslos geglaubten Fällen "reaktivieren" und hoffe auf eine dahingehende Rückbesinnung auch bei anderen versierten Kollegen.

Eine weitere aus der Mode gekommene Alternative ist die Kolposuspension nach Burch, die allerdings einen Zugang durch die Bauchhöhle erfordert. Im Extremfall kann auch bei der Frau eine künstliche Schließmuskelprothese implantiert werden, welche in diesem Fall am Blasenausgang zu liegen kommt.

Beim Mann tritt eine Belastungsinkontinenz meistens nach Prostataoperationen auf. Mit Beckenbodentraining und Elektrostimulation lässt sich der Genesungsprozess erheblich beschleunigen, jedoch nicht erzwingen. Bleibt die Inkontinenz weiter bestehen, ist nach Ablauf des ersten Jahres nicht mehr mit einer wesentlichen Besserung zu rechnen.

Inzwischen existieren zahlreiche Operationsmethoden zur Wiederherstellung oder Unterstützung der Schließmuskelfunktion, und es gibt nicht DIE alleinig seligmachende, für jeden Patienten passende Lösung. Doch lässt sich nahezu für jeden Patienten eine passende Lösung finden, je nach Schweregrad der Inkontinenz, Vorgeschichte und Zustand des Schließmuskels.

Die Behandlung durch einen spezialisierten Urologen gewährleistet so ein optimales Ergebnis.

Egal um welches Problem es sich handelt, ich informiere Sie gerne über Ihre Möglichkeiten. Fast immer ist zumindest eine erhebliche Verbesserung möglich - auch wenn Ihnen vielleicht bereits gesagt wurde Sie müssten sich damit abfinden... 

Weiters stehen wir Ihnen auch pflegerisch zu Themen der Kontinenzberatung zur Verfügung.